Aus Syrien nach St. Wendel

Ayat Taleb Alashkar ist 25 Jahre alt und kommt aus Syrien, wo sie Maschinenbau studiert hat. Zurzeit absolviert sie ein Praktikum im Bereich Filterbetrieb bei Fresenius Medical Care in St. Wendel. Möglich wurde dies durch ihre Teilnahme an einem Programm der Hochschule für Technik und Wirtschaft des Saarlandes (htw Saar) zur Qualifizierung ausländischer Ingenieure. Denn Ayat ist erst seit 2016 in Deutschland. Davor lebte sie ein Jahr in der Türkei, nachdem sie ihre Heimat wegen des Krieges verlassen musste. Wir haben mit ihr über das Praktikum, aber auch über die deutsche Mentalität und ihre Zukunftspläne gesprochen.
Ayat, du hast Maschinenbau studiert. Woher kommt deine Faszination für Technik?
Ich habe mich schon vor dem Studium sehr für Physik und Mathe interessiert, Literatur war eher nicht so mein Thema. Dazu kommt, dass ich als Kind fast nur mit Jungen gespielt habe. Dadurch bin ich schon früh eher mit technischen Dingen wie Autos und Flugzeugen in Berührung gekommen.
Du hast dein Studium 2015 in Aleppo abgeschlossen. Konntest du während deines Studiums oder danach schon im technischen Bereich arbeiten?
Leider nein. Während des Studiums konnte ich kein Praktikum machen, weil alle Unternehmen in Aleppo, die dafür in Frage gekommen wären, wegen des Kriegs geschlossen waren. Zu dieser Zeit war mir bereits klar, dass ich Syrien verlassen muss, zumal es auch immer gefährlicher wurde. Aber vorher wollte ich unbedingt mein Studium beenden. Nachdem ich das geschafft hatte, bin ich in die Türkei geflohen. Allerdings war es dort unmöglich für mich, einen Job zu finden. Doch dann bot sich die Chance für mich, nach Deutschland zu gehen.
Und hier war es dann leichter?
Zumindest wurde mein Studium hier schnell anerkannt. Außerdem habe ich mich direkt für einen Sprachkurs angemeldet, um Deutsch zu lernen. Aber trotzdem war es sehr schwierig, einen Job zu bekommen, denn meistens werden Praktika vorausgesetzt. Umso dankbarer bin ich, dass es nun mit Hilfe des Programms der htw Saar geklappt hat.
Ich habe zum Beispiel gelernt, dass in Deutschland viel Wert auf Pünktlichkeit gelegt wird.
Kannst du uns etwas zu den Inhalten dieses Programms erzählen?
Bei dem Programm geht es um die sprachliche, kulturelle und fachliche Qualifizierung von Ingenieuren, die erst seit Kurzem in Deutschland sind. Es besteht aus Kursen an der Hochschule und Praxisphasen in einem Partnerunternehmen. Am Anfang war ich zum Beispiel drei Tage im Unternehmen und zwei Tage an der Hochschule, wo ich auch spezielle Deutsch-Kurse besuchen konnte, in denen ich neben Grammatik auch Fachbegriffe aus dem Ingenieurwesen gelernt habe. Dazu gab es Kurse zum Thema "Technisches Projektmanagement", was für mich komplett neu war, oder auch "Interkulturelles Management", in dem ich etwas über die deutsche Mentalität erfahren habe.
Was wurde dir dort beigebracht?
Ich habe zum Beispiel gelernt, dass in Deutschland viel Wert auf Pünktlichkeit gelegt wird. Oder dass ich es nicht zu persönlich nehmen sollte, wenn jemand sehr direkt zu mir ist. Das war sehr hilfreich, weil mir das zu Beginn tatsächlich etwas fremd war, aber inzwischen habe ich es verstanden und kann damit umgehen. Ich versuche sogar auch, selbst etwas direkter im Umgang mit anderen Personen zu sein.

Wie gefällt es dir denn insgesamt so in Deutschland?
Es gefällt mir viel besser, als ich es erwartet habe, zum einen wegen der Sicherheit, aber auch, weil es zum Beispiel eine Krankenversicherung oder ein gutes Bildungswesen gibt. Und die Menschen hier sind sehr nett. Allerdings habe ich nicht gewusst, dass der Dialekt im Saarland so schwierig ist (lacht).
Und trotzdem vermisst du sicherlich deine Heimat, oder?
Ja natürlich. Ich lebe hier zwar mit einem meiner Brüder, meinem Onkel, meiner Tante und meiner Cousine, aber ich vermisse meine Freunde und den Rest meiner Familie sehr. Sie sind zum Teil auch in verschiedenen Ländern, mein Vater etwa in Ägypten, mein kleiner Bruder immer noch in Syrien. Mein Traum ist es, irgendwann alle wiederzusehen und gemeinsam mit ihnen Abend zu essen.
Das ist sehr nachvollziehbar – wir wünschen dir, dass das bald möglich sein wird! Lass uns mal über dein Praktikum sprechen. Seit Oktober 2017 arbeitest du nun hier bei Fresenius Medical Care. Kannst du uns kurz einen Einblick in deine Tätigkeiten geben?
Ich bin hier im Bereich Filterbetrieb eingesetzt und habe schon an vielen Aufgaben in Bezug auf Dialysefilter mitgearbeitet. Zurzeit mache ich eine Ultrafiltrationsmessung, ansonsten habe ich auch schon Druckversuche oder Bubble-Point-Tests durchgeführt. Dabei wird im Rahmen des Validierungsprozesses überprüft, ob die Membranen eines fertig produzierten Dialysefilters undicht sind oder nicht. Für den Fall, dass es Beschädigungen gibt, müssen sie weiter untersucht werden. Das kommt aber nur sehr selten vor, denn auf Qualität wird hier größten Wert gelegt.

Kanntest du Fresenius denn vorher schon?
Ehrlich gesagt nein. Aber ich habe mich dann natürlich informiert und war überrascht, wie groß und international das Unternehmen ist. Schon beim Vorstellungsgespräch habe ich einen Einblick in die Produktionslinie erhalten, was mich sehr beeindruckt hat. Ich finde es auch sehr schön, für ein Unternehmen zu arbeiten, das Menschen mit Nierenversagen hilft, ein fast normales Leben zu führen.
Erinnerst du dich noch an deinen ersten Tag im Unternehmen?
Ja, ich war sehr beeindruckt und auch ein wenig sprachlos. Ich habe viele Leute kennengelernt und auch viele Namen gleich wieder vergessen (lacht). Mein Chef hat mich herumgeführt und mir alles gezeigt. Und auch die Kollegen haben mich sehr gut aufgenommen und mich besonders zu Beginn meines Praktikums, als ich noch sehr wenig Deutsch sprechen konnte, viel unterstützt.
Wie kann man sich deinen Arbeitsplatz vorstellen?
Ich sitze zusammen mit zwei Kollegen in einem Büro, wo ich aber nur einen Teil meiner Arbeitszeit verbringe. Je nach Aufgabe bin ich auch mal im Technikum oder im Labor. Was mich positiv überrascht hat, war, dass ich auch an Meetings und Besprechungen teilnehmen kann. So fühle ich mich als vollwertiges Teammitglied.
Das klingt super. Weißt du denn schon, wie es nach dem Praktikum weitergeht? Hast du Pläne für die Zukunft?
Ich wollte immer arbeiten und lernen, und das möchte ich auch weiterhin tun. Daher würde ich mich sehr freuen, wenn ich im Anschluss an das Praktikum eine Festanstellung finde, am liebsten im Bereich Materialwissenschaften, denn das ist meine Leidenschaft. Wenn das nicht klappen sollte, könnte ich mir auch vorstellen, noch ein Master-Studium zu machen und mein Deutsch weiter zu verbessern. Wobei das hier innerhalb des Unternehmens eigentlich am besten geht.